Vorwerk Mitte Lehesten
Vorwerk Mitte und die U-Verlagerung Rotbutt sowie U-Verlagerung Bonit
Vorgeschichte der U-Verlagerung Rotbutt
Am 15.09.1943, lange bevor es das Decknamen-Schema gab, muss die Karl Oertel Schieferbrüche Lehesten G.m.b.H ihren Hauptbetrieb dem Oertelsbruch an die Kriegsrüstungsfirma mit dem Tarnnamen (nicht zu verwechseln mit den Decknamen) Steinbruch-Verwertungs G.m.b.H verpachten. Es war eine Zwangsverpachtung die auch Forderungen besaß. Den mit der Zwangsverpachtung war sämtliches Inventar mitabzugeben und auch die komplette Belegschaft vom Oertelsbruchs. Die Belegschaft bestand damals aus 118 Mann wovon 15 polnische Zwangsarbeiter waren. Oertel war davon absolut nicht begeistert, schließlich war es sein Hauptbetrieb. Aber er musste die Verpachtung stillschweigend hinnehmen ansonsten wäre er sicherlich ins Gefängnis gekommen.
Ab dem 15.09.1943
Kurz nach dem die Zwangsverpachtung ausgesprochen wurde begannen bereits die ersten Vorbereitungen für den Bau des Rüstungsbetriebs. Es wurden zügig zwei Teststände für Brennkammern von Raketentriebwerken errichtet. Auf diesen Testständen sollten nach der Fertigstellung V2 Triebwerke getestet werden. Die Heizbehälter der Teststände wurden auch „Ofen“ oder „Tuben“ genannt. Wird nachfolgend von Ofen gesprochen sind damit diese gemeint und nicht die Ofen-Projekte (die etlichen Ofen U-Verlagerungen). Die Formalitäten des Verpachtungsvertrages wurden erst Monate später, nach dem bereits die Bauarbeiten für den Rüstungsbetrieb begonnen hatten, erledigt. Die angefangenen Bauarbeiten im Oertelsbruch sind jedoch nicht für die U-Verlagerung Rotbutt wohlgemerkt!
Im Oertelsbruch wurde also schon lange bevor es das Decknamen-Schema gab ein Rüstungsbetrieb gebaut der auch Teile dessen Untertage verlagert wurde. Der Rüstungsbetrieb im Schieferbruch wurde „Vorwerk Mitte“ oder auch „Vorwerk Lee“ genannt. Am 15.09.1943 wurde also aus dem Schieferbruch ein Rüstungsbetrieb: Das Vorwerk Mitte. Für den Betrieb wurde sogar eine neue Firma gegründet die Steinbruch-Verwertungsgesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag wird aber erst am 1. Dezember 1943 für die Steinbruch-Verwertungs G.m.b.H aufgesetzt. Die neue Gesellschaft durfte aber nicht in das öffentliche Handelsregister eingetragen werden. Die Eintragung sollte in ein Geheimregister erfolgen. Denn der Rüstungsbetrieb war streng geheim und lief daher unter der Tarnfirma „Steinbruch-Verwertungs G.m.b.H“. Unter dieser Firma wurde also ein Raketentriebwerk Teststand errichtet.
Bau des V2-Raketentriebwerk Teststandes und die erste Planung und die Vergabe des Decknamens Rotbutt
In der ersten Planung für das geheime Werk wollte man 450 Test im Monat, im Oertelsbruch, durchführen. Für diese 450 Triebwerkstests wären 9 Sauerstoff-Anlagen benötigt gewesen. Dazu plante man ein Sauerstoffwerk mit mehreren Einheiten, das gesamte Werk sollte im Oertelsbruch errichtet werden. Eine jede dieser Anlagen sollte runde 9-10 Tonnen flüssigen Sauerstoff am Tag herstellen. Geht man von 28 Tagen in einem Monat aus wären das bei der minimalen Produktion dieser Anlagen 252 Tonnen Flüssigsauerstoff.
Bau von „Vorwerk Mitte“ im Schieferbruch Oertelsbruch
Vom 15.09.1943 bis zum 29.01.1944 - In nur 136 Tagen zum ersten Brennversuch
Die Errichtung des Prüf- und Kalibrierfeldes ("Vorwerk Mitte") für die A4-Triebwerke, aus Peenemünde und später dann aus Nordhausen der U-Verlagerung „Mittelwerk“ am Kohnstein einem Stollenneubau der WIFO-Tanklager, verlief Reibungslos und zügig. Fast gleichzeitig wurden 2 Brennstände mit den Ausmaßen von 9 x 6 m im Bruchkessel des Oertelsbruchs aufgebaut. Zusätzlich wurde ein Beobachtungsbunker für die Tests der Triebwerke erstellt und ein untertägiger Werkstattbereich wo die V2-Raketentriebwerke montiert und vorbereit werden sollten. Für die benötigten Kompressor Anlagen der streng geheimen Anlage „Vorwerk Mitte“ wurden die vorhanden untertägigen Abbauhallen vergrößert und in einer weiteren Abbauhalle ein Umspannwerk errichtet. Sämtliche zuletzt genutzten Betriebsgebäude wurden auch für das Werk Vorwerk Mitte genutzt. Die Spalthütten D1, D2 sowie E wurden zum Beispiel zu einem Zivillager umfunktioniert. Die Gebäude von Fröhliches Thal wurden zum Außenlager „Laura“ des KZ Buchenwald. Der Scheunenneubau von 1929 wird zur Häftlingsbaracke. Die Schieferbruch Schlosserei wird mit modernster Technik ausgestattet und dient von da an als „Mechanische Werkstatt des Prüffelds“. Die Oertelvilla, in der bis zur Verpachtung Oertel wohnte, wird für die Heeresabnahmestelle hergerichtet und nebenher aus Luftschutzgründen von außen schwarz verkleidet. Das Wirtschaftsgebäude und die Villa erhalten unterirdische Zugänge zum B-Stollen. Die Strecken hierfür wurden aus den Kellern neu angelegt. Der B-Stollen bekommt einen Anschluss zum neun Hauptstollen der D-Sohle. So ermöglichte man dem Personal der Heeresabnahmestelle geschützt in alle wichtigen Bereiche von Vorwerk Mitte zu gelangen. Die neu angelegten Strecken zum B-Stollen dienten nebenher auch als Luftschutz. Im B-Stollen selbst wurde eine Telefonzentrale eingerichtet. Einige Wohngebäude rund um den Bruch wurden dem Führungspersonal und der SS zugeteilt. Darunter befand sich auch die Direktorenvilla Schmidt. Die „Ofenhalle“ dem Bauwerk XVI von Vorwerk Mitte musste neuangelegt werden. Es handelt sich um einen Neubau welcher bei Fertigstellung zum Be- und Entladen der Brennkammern und einsetzen der Öfen in die Prüfgestelle dienen sollte. Über Gleise mit Drehscheiben konnten die Triebwerke ganz einfach zu den Prüfständen transportiert werden. Anfangs bestand die Offenhalle nur aus einem Querbau aus Holz. Am aufwendigsten und Zeitraubendes Vorhaben war der komplexe Kühlreislauf von Vorwerk Mitte.
Der komplexe Kühlkreislauf
Die Kühlwasserversorgung wurde großenteils durch das zufließende Grubenwasser der vorhandenen Grubengebäude gestillt. Das Grubenwasser konnte unterhalb der F-Sohle (Oberchaarstollen) nicht ablaufen. So schuf man in den untertägigen Abbausohlen des Oertelsbruches ein ausgeklügeltes Kühlwasserversorgungssystem mit teils neu angelegten Stollen, diversen Rohrleitungen und zahlreichen Pumpen. Für die Wasserversorgung von Vorwerk Mitte wurde extra ein Lageplan im Maßstab 1:1000 angelegt. Der Plan wurde zuletzt am 24. November 1943 ergänzt und geringfügig geändert. Mit der Zeichnungsnummer 815 /150 wurde der Bau der Wasserversorgung begonnen. Von der Sammel-/Entnahmestelle im Hohlbau B3 südlich wird, nach Fertigstellung der Wasserversorgung, das Kühlwasser auf die D-Sohle gepumpt und versorgt dort die Sauerstoffanlagen mit kühlem Wasser. Das verwendete Kühlwasser kann über die B-Sohle wieder durch durchschlägige Grubenbaue in die unterste Sohle fließen. Auf dem Wege wird das Wasser wieder abgekühlt. Da das Sauerstoffwerk ausgebaut werden sollte ist der Kühlkreislauf im Dauerbetrieb nicht ausreichend. Über Rohrleitungen wird aus dem Gloppenbach über den B-Stollen zusätzliches Wasser zu den Erzeugeranlagen gepumpt. Doch in Volllast des Sauerstoffwerkes reicht diese Kühlung im Dauerlauf immer noch nicht aus und der Kühlkreislauf wurde nochmals überdacht und erweitert. Im Winter 1943/1944 beginnt man hierfür bereits mit dem Bau einer Rohleitung zur Loquitz. Vom Oberlauf der Loquitz kann mit dieser Rohleitung zusätzlich kaltes Wasser zum Werk geleitet werden. Bereits im Juni 1944 war diese Rohrleitung in Betrieb. Zuvor wurde im südlichen Teil des Tagebaues zusätzlich ein Kühlturm errichtet.
Die U-Verlagerung Rotbutt
Die U-Verlagerung Rotbutt wird vermutlich nicht an der Stelle sein wie viele bis heute berichten. In der ehemaligen Abbauhalle in dem sie die gigantischen Stahlträger und großen herabhängenden Torpedonetzte befinden befanden sich die ersten Sauerstoffproduktionseinheiten von Vorwerk Mitte. Die U-Verlagerung Rotbutt befindet sich höchstwahrscheinlich in dem hinteren Teil und wurde im September 1944 vermutlich errichtet.
Die spärlichen Überlieferungen der einzelnen Anlagen und die vielen unterschiedlichen Termine sowie zahlreichen Terminverschiebungen lassen eine wirkliche genaue Angabe zu der U-Verlagerung Rotbutt nicht eindeutig zu. Es lässt sich schwer rekonstruieren ob es sich um die ersten Sauerstoffproduktionserzeugereinheiten oder aber um die Erweiterung der ganzen Sauerstoffanlage handelt. Die ersten Sauerstofferzeugeranlagen worden bereits am 26.01.1944 in Betrieb genommen, lange bevor es das Decknamen-Schema gab.
Das Prüffeld von Vorwerk Mitte benötigte jedenfalls Unmengen an Sauerstoff und Stickstoff. Somit war Vorwerk Mitte ein Großabnehmer von den beiden Technischen Gasen. So wurde vermutlich die U-Verlagerung Rotbutt als Erweiterung des Sauerstoffwerks geplant und gebilligt. Im September 1944 ist der Baubeginn zur Erweiterung des Sauerstoffwerkes. Hierbei könnte es sich also um die U-Verlagerung Rotbutt handeln. Rotbutt erhielt die Baunummer 1160. Dies geht aus einem Nachtrag vom 8. Januar 1945 hervor.
Am 26.01.1944 gingen die ersten drei Sauerstofferzeugereinheiten in Produktion. Bis März 1944 werden dann weitere 6 Erzeuger-Einheiten für die Sauerstoffproduktion vorbereitet und installiert. Am 14.07.1944 liefen dann die 9 Sauerstofferzeugereinheiten so gut das erste auswärtige Abnehmer mit Sauerstoff beliefert werden konnten. Im September wird das Sauerstoffwerk stark erweitert. Vermutlich unter den Decknamen „Rotbutt“.
Erweiterungen des Sauerstoffwerkes in zwei Bauphasen
Im September 1944 begannen im Oertelsbruch in den Abbauen bzw. Hohlbauen A1 nördlich, B1 nördlich sowie B1 südlich die ersten arbeiten. Die Hohlbaue sollten hergerichtet werden und von der B-Sohle bis auf die F-Sohle verbunden werden. Hierbei handelt es sich um Mamutbaue die für die Erweiterung des Sauerstoffwerkes angelegt werden mussten. Die Arbeiten waren zunächst für drei Erzeugeranlagen. Als Zufahrt für die Erweiterung wird der Hauptstollen nochmals um 80 Meter verlängert und normalspurtauglich Ausgebaut. Die Arbeiten gehen schnell voran und bereits Ende des Jahres zum Anfang des Jahres 1945 gingen bereits die neu installierten Erzeugereinheiten in Betrieb. Es waren die Erzeugereinheiten 10-12. Die Erzeugereinheiten 13-16 wurden vermutlich in der zweiten Bauphase montiert aber nicht mehr in Betrieb genommen. Ein einzelnes Schwungrad des Kolbenverdichters für eine Erzeugeranlage hatte einen Durchmesser von 5m. Die Kolonen Türme waren über 10 Meter hoch. Es gibt ein Foto auf dem eine solche Erzeugereinheit abgelichtet wurde. Auf dem Foto ist links in der Ecke eine Treppe auf der sich zwei Personen finden. Man muss ganz genau hinschauen ansonsten würde man die Personen übersehen. Durch das Foto lassen sich aber die Abmaße der Anlage erahnen.
Literatur und Quellen zur U-Verlagerung Rotbutt und Vorwerk Mitte
- Barteld, Scheidig, Schein: "Thüringisch-Fränkischer Schieferbergbau, Band 2", Verlag Barteld, Berga/Elster 2017
- Gropp: "Außenkommando Laura und Vorwerk Mitte Lehesten", Westkreuz-Verlag GmbH, Berlin/Bonn 1999
- Hatt: "Ignorierte Geheimobjekte Hitlers", Verlag Heinrich Hattenhauer, Ludwigsstadt 1995
- Kessler: "Die Hölle im Schieferberg - Erinnerungen an Laura", schwarm Verlag, Saalfeld 1998
- Privatarchiv Minehunters inkl. dem ehemaligen Archiv vom Team Bunkersachsen
- PTB-Mitteilungen, Heft 1/2013
- Reuter: "The A4 (V2) and the German, Soviet and American Rocket Program", S. R. Research & Publishing, Scarborough 2000
- Rudolstädter Heimathefte, Heft 3/4-1997
- Steiner: "Das KZ-Außenlager Laura in Schmiedebach und die Raketentechnik", medium2d, Saalfeld 2010
- Wichert: "Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten des zweiten Weltkrieges", Verlag Schulte, Marsberg 1993