U-Verlagerung Steinbutt
- U-Verlagerungen in Baden-Württemberg
- Samstag, 25. Oktober 2025 15:43
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U-Verlagerung Steinbutt
Am Südrand des kleinen Ortes Stetten bei Haigerloch liegt ein ganz besonderer Ort unter der Erde: das Salzbergwerk Stetten – das älteste, noch aktive Bergwerk Deutschlands, in dem bis heute bergmännisch Salz gewonnen wird. Seine Geschichte reicht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Im März 1854 begannen hier die ersten Abbauarbeiten, nur wenige Jahre nachdem die beiden Hohenzollernschen Fürstentümer an das Königreich Preußen gefallen waren.
Doch der Start war alles andere als einfach: Wassereinbrüche und Kohlensäuregas setzten den Bergleuten schwer zu und verzögerten den Ausbau des Grubengebäudes erheblich. Erst 1858 konnten die Tagesanlagen fertiggestellt werden – mit Salzmühle, Energieversorgung, Werkstätten, Wohnhäusern und einer eigenen Saline.
Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich das Werk technisch weiter. 1926 wurde das alte hölzerne Fördergerüst durch einen eisernen Förderturm ersetzt, und eine moderne elektrische Fördermaschine kam hinzu. Ursprünglich wurde hier fast ausschließlich Siedesalz gewonnen. Die Jahresproduktion lag zunächst bei rund 800 Tonnen und stieg bis in die 1880er-Jahre auf etwa 2000 Tonnen, bevor sie wieder sank. Als die Wacker Chemie das Bergwerk im Jahr 1924 übernahm, lag die Förderung bei nur noch 640 Tonnen.
Wacker stellte die Produktion um – weg vom Siedesalz, hin zum Industriesalz – und modernisierte den Betrieb konsequent. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs wuchs die Jahresförderung auf über 40.000 Tonnen, rund 50 Bergleute waren zu dieser Zeit beschäftigt.
Im April 1944 bekam das Bergwerk eine neue, dunkle Rolle in der Geschichte des Salzbergwerkes.
U-Verlagerung Steinbutt
Unter dem Decknamen „Steinbutt“ mit der OT Nummer 64 begann man nach recht kurzer Planung und diversen Gutachten mit dem Ausbau zusätzlicher Stollen und einer neuen Schachtanlage am Salzbergwerk. In einem Schreiben vom Oberbergamt vom 5. Juli 1944 wird über die Vermessung arbeiten berichtet das diese fortgeführt werden. Ein weiteres Schreiben vom Büro Prof. Dr.-Ing. Rimpl Abteilung Brückner legt weitere Details hervor zum Bauvorhaben Steinbutt. In dem Schreiben geht es um den Schachtort und der Bewetterung des Bergwerkes. Die letztendlich später mitunter zum Scheitern des Vorhabens führten.
Für das Bauvorhaben mit dem Decknamen Steinbutt wurden zwei neue Fahrstollen, in unmittelbare Nähe zueinander, in den Berg getrieben und ein Schacht abgeteuft. In den stillgelegten Bereichen des Salzbergwerks sollte auf rund 30.000 Quadratmetern eine geheime Rüstungsfabrik entstehen. Nach Berechnungen in einem Schreiben niedergeschrieben waren es sogar 42.000 m². Geplant war die Produktion von Getrieben für Sturmgeschütze, verlagert von den Altmärkischen Kettenwerken (Alkett) in Berlin – einem Tochterunternehmen der Rheinmetall-Borsig AG, das zu den wichtigsten Lieferanten der Wehrmacht für Panzerfahrzeuge gehörte. Vom Bauvorhaben Steinbutt in der Saline Stetten bei Haigerloch im Schwarzwald wird in dem zuvor genannten Schreiben von Panzerfertigung gesprochen.
Die Arbeiten an den beiden Stollen und dem Schacht verliefen sehr schleppend. Es gab zudem heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ingenieur Büro Rimpl und den Behörden vor Ort in Stetten.
Nach den schweren Luftangriffen auf Berlin im November 1943 war das Alkett-Stammwerk stark beschädigt worden. Wie viele andere Rüstungsbetriebe suchte auch Alkett nach sicheren Produktionsstätten unter Tage – weit entfernt von den Fronten und Bombenzielen. Im Herbst 1944 intensivierten sich die Arbeiten im Gewann „Hohe Äcker“. Laut einem Schreiben des Planungsbüros Rimpl an das Landratsamt Hechingen vom 24. November 1944 waren dort rund 150 Arbeiter in drei Schichten zu je 50 Mann eingesetzt. Das Schreiben bezog sich auf den Bau einer Hauskläranlage für eine Waschbaracke an der Straße von Stetten nach Owingen. In der zugehörigen Erläuterung heißt es, die Baracke werde „nur bei Schichtwechsel von rund 50 Mann jeweils in Anspruch genommen“.
Durch die schleppend Anlaufenden Arbeiten und schweren Bedingungen im Salzbergwerk kamen Zweifel auf, ob sich hier tatsächlich eine komplexe Getriebefertigung realisieren ließ. Das Projekt „Steinbutt“ wurde schließlich nicht vollständig umgesetzt – stattdessen nutzte man die vorbereiteten Anlagen für eine Teilverlagerung der Mauserwerke in Oberndorf. Ein neuer Deckname wurde nicht vergeben. Die beiden Angefangenen Fahrstollen hatten die Maße von 5,10 mal 4,20 Metern. Sie wurden ca. 80 bis 90 Meter in den Berg getrieben. Die Stolleneingänge wurden mit Beton verstärkt und innen wurde die Firste mit Stahlbeton und zusätzlicher Armierung versehen.
Heute erzählt das Bergwerk Stetten nicht nur von der Industriegeschichte Süddeutschlands, sondern auch von einem Kapitel, das tief mit den U-Verlagerungen des Zweiten Weltkriegs verbunden ist. Zwischen Bergbau, Technikgeschichte und Zeitzeugen der NS-Rüstungswirtschaft wird hier deutlich, wie eng Licht und Schatten, Fortschritt und Zwang, in der Tiefe der Geschichte miteinander verwoben sind.
